Wien (OTS) – „ Die angespannte geopolitische Lage, eine schwächelnde
Wirtschaft,
hartnäckig hohe Inflationsraten sowie die starke Präsenz
europakritischer Stimmen hinterlassen im heimischen EU-Meinungsbild
ihre Spuren. Während die Europäische Union darum kämpft, sich zu
behaupten und im Konzert der Mächtigen mitzuspielen, ist die
Verunsicherung hierzulande groß und die Zuversicht begrenzt“ , sagt
Paul Schmidt, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für
Europapolitik (ÖGfE), in Bezug auf die aktuellsten ÖGfE-
Umfrageergebnisse.
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Im ÖGfE-Stimmungsbarometer von September sind 6 von 10 Befragten
(61 Prozent) der Meinung, dass Österreich Mitglied der EU bleiben
sollte, 29 Prozent sprechen sich für einen EU-Austritt aus, 11
Prozent sind sich in ihrem Urteil unsicher oder geben keine Antwort.
Damit verfestigt sich eine Tendenz steigender EU-Skepsis, die
lediglich rund um die Europawahlen im letzten Jahr unterbrochen
wurde: In einer Blitzumfrage am Tag nach der Wahl, bei der die FPÖ
erstmals stärkste Kraft wurde, war die Zustimmung zur EU-
Mitgliedschaft – kurzfristig – auf 76 Prozent gestiegen.
„ Im langfristigen Trend – 74 Umfragen seit 1995 – liegt die Zahl
der Befürworter:innen der heimischen EU-Mitgliedschaft bei
durchschnittlich 70 Prozent; die Zahl jener, die einen EU-Ausstieg
präferieren, bei 22 Prozent. Die höchste Zustimmung zur EU-
Mitgliedschaft fand sich im Herbst 1999 – mit 82 Prozent – in einer
Periode positiver wirtschaftlicher Entwicklung sowie im Sommer 2002,
dem Jahr der physischen Einführung des Euro. Der stärkste Wunsch nach
einem Austritt im Sommer 2008 – mit 33 Prozent – infolge des irischen
Nein zum Vertrag von Lissabon und der darauffolgenden
innenpolitischen Diskussion in Österreich, sowie im Sommer 2015, als
sich der Flüchtlingszustrom nach Europa bereits intensivierte und die
EU auch von der Brexit-Entscheidung der Briten überrumpelt wurde “,
analysiert Schmidt. „Die aktuell bescheidenen Zustimmungswerte zur EU
-Mitgliedschaft ähneln jenen vor zehn Jahren. Für eine Trendumkehr
braucht es jedenfalls eine stärkere Union, die in der Lage ist,
Wohlstand und Sicherheit zu gewährleisten und auf der Weltbühne ihre
Handlungsfähigkeit unter Beweis stellt.“
Die kürzlich zustande gekommene Zollvereinbarung zwischen den USA
und der EU findet, vor diesem Hintergrund, keine mehrheitliche
Zustimmung in Österreich. 54 Prozent halten das Übereinkommen für
schlecht, weil dadurch die europäische Wirtschaft zu stark belastet
wird. Etwas mehr als ein Viertel der Befragten (27 Prozent) begrüßt
es und ist der Meinung, dass somit ein weiterer Handelskrieg
abgewendet wurde. Ein Fünftel kann sich in dieser Frage nicht
festlegen (19 Prozent).
„Die Vereinbarung zwischen den USA und der EU, wonach auf die
meisten EU-Exportprodukte, die in die Vereinigten Staaten gehen, ein
Zollsatz von 15 Prozent eingehoben wird, wird vielfach als einseitig
und nicht nachhaltig kritisiert“ , so Schmidt. „Das deckt sich mit
dem heimischen Meinungsbild, das Unzufriedenheit mit dem
abgeschlossenen Deal erkennen lässt.“
Ob die Europäische Union das Freihandelsabkommen MERCOSUR mit den
südamerikanischen Staaten Argentinien, Bolivien, Brasilien, Paraguay
und Uruguay beschließen soll, darüber scheiden sich in Österreich die
Geister. Ein Drittel (35 Prozent) ist dafür, dass unser Land den
Freihandelspakt absegnet, fast ebenso viele Befragte (33 Prozent)
äußern hingegen ihre Ablehnung. Ein weiteres Drittel (31 Prozent)
konnte sich hierzu noch keine Meinung bilden.
„Das Thema Freihandel ist hierzulande traditionell umstritten und
mit vielen Emotionen verbunden. Angesichts der handels- und
geopolitischen Entwicklungen und der Aktualisierung des MERCOSUR-
Abkommens wäre es jedenfalls sinnvoll, die Debatte wieder
aufzunehmen, allerdings mit einer Ausrichtung, die weniger auf
Polarisierung und stärker auf Fakten setzen sollte“ , meint Schmidt.
„Bereits jetzt sind weltweit über 40 Handelsabkommen der EU mit über
70 Ländern in Kraft. Eine weitere Diversifizierung der
Handelsbeziehungen sowie die Vertiefung des Binnenmarktes wären in
Zeiten des zunehmenden Protektionismus und der komplexen
transatlantischen Beziehung sinnvoll und notwendig, reduzieren
Abhängigkeiten und erhöhen die Resilienz der Union.“
Auch was die europäische Unterstützung der Ukraine in ihrem Kampf
gegen den russischen Angriffskrieg betrifft, sind die Menschen in
Österreich geteilter Meinung. Insgesamt 46 Prozent halten eine solche
für „sehr“ oder „eher wichtig“ (je 23 Prozent), fast ebenso viele –
43 Prozent – sehen die europäische Solidarität mit Kyjiw als „eher
nicht“ (18 Prozent) oder „gar nicht wichtig“ (25 Prozent) an. 10
Prozent der Befragten äußern sich nicht zu diesem Thema. Im
Zeitverlauf seit 2023 sind im heimischen Meinungsbild kaum
Veränderungen zu erkennen.
„Trotz internationaler Friedensbemühungen und des Drucks weiterer
Sanktionen eskaliert Russland mit seinen Angriffen auf die Ukraine.
Ein rasches Ende des Krieges rückt somit wieder in die Ferne. Das von
Ambivalenz geprägte heimische Meinungsbild zur Haltung der EU
spiegelt dabei gut die innenpolitische Debatte wieder: Während die
österreichische Bundesregierung in ihrer Rückdeckung für die Ukraine
keine Zweifel lässt, fordert die stärkste Oppositionspartei vehement,
die Unterstützung für Kyjiw zurückzufahren. Was dabei jedoch fehlt,
ist eine dringend notwendige sicherheitspolitische
Auseinandersetzung, wie Österreich seine militärisch neutrale Rolle
in Zeiten grundlegender geopolitischer Veränderungen weiterentwickeln
und definieren sollte. Mehr Mut und Offenheit wären hier jedenfalls
gefragt“ , meint Schmidt abschließend.
Zwtl.: Hintergrund:
Die aktuelle Umfrage wurde von market von 5. bis 9. September
2025 im Auftrag der ÖGfE durchgeführt. Befragt wurden österreichweit
1000 Personen online, österreichische Bevölkerung, 16 bis 80 Jahre,
repräsentativ für Alter, Geschlecht, Region und Bildung. Maximale
statistische Schwankungsbreite +/- 3,16 Prozent. Differenz auf 100
Prozent aufgrund gerundeter Werte. Fehlende Werte auf 100 Prozent =
„weiß nicht / keine Angabe“.




