Nutri-Score: foodwatch unterstützt Access Info in Transparenz-Verfahren vor Gericht der Europäischen Union

Brüssel/Wien (OTS) – Nach einem zweijährigen Kampf um Transparenz hat
sich die
Konsument:innenschutzorganisation foodwatch an Access Info gewandt,
um vor dem Gericht der Europäischen Union Klage gegen die Europäische
Kommission einzureichen. Der Grund: Die EU-Kommission weigert sich
bis heute, zentrale Dokumente im Zusammenhang mit dem geplanten EU-
Gesetz für eine verpflichtende Nährwertkennzeichnung auf der
Vorderseite von Verpackungen offenzulegen. Das Thema ist ohne
Erklärung von der politischen Agenda verschwunden. foodwatch und
Access Info gehen nun rechtlich dagegen vor: Access Info hat eine
Nichtigkeitsklage beim Gericht der Europäischen Union eingereicht.
foodwatch hatte das Thema öffentlich gemacht und tritt dem Verfahren
als Streithelfer bei.

2020 hatte die Kommission in ihrer „Farm to Fork”-Strategie eine
Überarbeitung der EU-Vorschriften zur Verbraucherinformation
angekündigt. Ziel war es, bis Ende 2022 eine EU-weit harmonisierte
und verpflichtende Nährwertkennzeichnung auf der Vorderseite von
Verpackungen – z. B. den Nutri-Score – vorzuschlagen. Diese sollte
Konsument:innen helfen, leichter gesündere Kaufentscheidungen zu
treffen – eine notwendige Maßnahme, um die wachsende Gesundheitskrise
in Europa aufgrund nicht übertragbarer Krankheiten zu bekämpfen. Der
Nutri-Score wird von zahlreichen unabhängigen Wissenschaftlern in
ganz Europa und der WHO unterstützt.

Das entsprechende Gesetzesvorhaben (Änderung der
Lebensmittelinformationsverordnung) verschwand jedoch ohne
öffentliche Erklärung von der Agenda der Kommission. Seit März 2023
hat foodwatch verschiedene Anträge auf Akteneinsicht bei der
Europäischen Kommission gestellt, um Klarheit über die Gründe für die
Rücknahme des Vorschlags zu erhalten. Gefordert wurden Einsicht in
die Folgenabschätzung, die Stellungnahme des Ausschusses für
Regulierungskontrolle (RSB) sowie die Protokolle der Sitzungen zu
diesem Gesetzgebungsverfahren. Diese Unterlagen sind entscheidend, um
die Entstehung und das abrupte Ende des Nutri-Score-Vorhabens
nachzuvollziehen. Die Kommission weigerte sich jedoch, diese
Dokumente vollständig freizugeben. foodwatch reichte daraufhin eine
Beschwerde bei der Europäischen Bürgerbeauftragten ein. Diese stimmte
foodwatch zu und kritisierte die Nichtveröffentlichung durch die EU-
Kommission als „ Missstand ” – dennoch weigert sich die Kommission
bis heute, die Dokumente freizugeben.

„Warum hat die EU-Kommission ihren Plan für ein europaweites
Nährwertkennzeichen, wie in der Farm-to-Fork-Strategie vorgesehen,
stillschweigend begraben? Welchen Einfluss hat die Lebensmittel-
Lobby? Wir wollen Antworten auf diese Fragen. Eine halbe Milliarde
europäischer Konsument:innen haben das Recht, auf einen Blick zu
erkennen, was in ihren Lebensmitteln enthalten ist”, sagt Suzy
Sumner, Leiterin des Brüsseler Büros von foodwatch international.

Zwtl.: Klage vor dem Gericht der Europäischen Union

Angesichts der andauernden Weigerung der Kommission wandte sich
foodwatch an Access Info, eine Organisation, die sich auf das Recht
auf Zugang zu Informationen spezialisiert hat. Im März 2025 reichte
Access Info einen separaten Antrag auf Zugang zu Dokumenten ein, um
die Forderung von foodwatch nach der Folgenabschätzung, der
Stellungnahme des Regulatory Scrutiny Board (RSB) und den Protokollen
der entsprechenden Sitzungen zu diesem Gesetzgebungsverfahren zu
untermauern. Obwohl es sich eindeutig um Gesetzgebungsdokumente
handelt, verweigerte die Kommission den Zugang mit der Begründung,
deren Veröffentlichung würde den Entscheidungsprozess
beeinträchtigen.

„Die angeforderten Dokumente sind legislativer Natur. Nach der
Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union unterliegen solche
Dokumente dem höchsten Transparenzgebot und dem Prinzip des
größtmöglichen Zugangs. Dieser Standard wurde jedoch nicht auf die
Nutri-Score-Dokumente angewendet“, sagte Carlos Cordero, Präsident
von Access Info.

Access Info argumentiert, dass die Weigerung der Kommission,
diese Gesetzgebungsdokumente offenzulegen, das Grundrecht auf Zugang
zu EU-Dokumenten, die Verordnung 1049/2001 sowie die durch die
Rechtsprechung des EuGH entwickelten Grundsätze verletzt. Deshalb hat
Access Info die Nichtigerklärung der Kommissionsentscheidung beim
Gericht der Europäischen Union beantragt.

Zwtl.: Warum der Nutri-Score wichtig ist

foodwatch setzt sich seit Jahren für eine verpflichtende
Nährwertkennzeichnung in der gesamten EU ein. Unter den bestehenden
Modellen sticht der Nutri-Score als das effektivste hervor: Er bietet
Konsument:innen klare, farbcodierte Informationen über die allgemeine
Nährstoffqualität von Lebensmitteln anhand eines einfachen
Ampelsystems. So können ausgewogenere Optionen auf einen Blick
erkannt werden.

Bislang unterstützen acht EU-Länder – Frankreich, Deutschland,
Luxemburg, Belgien, Spanien, die Niederlande und zuletzt Rumänien –
sowie die Schweiz die freiwillige Verwendung des Nutri-Score. Ohne
ein EU-weit verbindliches System bleibt die Umsetzung jedoch
inkonsistent und fragmentiert. In Österreich scheitert es aktuell gar
an der entsprechenden Verordnung, um Herstellern überhaupt die
Möglichkeit zu geben, die Kennzeichnung freiwillig zu verwenden.

„Wir stehen in Europa vor einer schweren Gesundheitskrise. Es
gibt wissenschaftliche Belege dafür, dass der Nutri-Score im Kampf
gegen nicht übertragbare Krankheiten, sogar Krebs, helfen kann. Die
leicht verständliche Kennzeichnung kann Menschen dabei helfen,
gesündere Einkäufe zu tätigen, und Hersteller dazu motivieren, ihre
Rezepturen zu ändern. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren“, so Suzy
Sumner von foodwatch.