Wien (OTS) – Eine Recherche der Investigativplattform DOSSIER zeigt
erhebliche
Missstände im österreichischen Erwachsenenschutz: Massenabfertigung,
zunehmende Ökonomisierung, Kontrollversagen sowie fehlende
Beschwerdemöglichkeiten für Betroffene.
Zwtl.: Massenabfertigung und Subunternehmen
Wegen knapper Ressourcen bestellen Gerichte immer häufiger Anwält
·innen als gerichtliche Erwachsenenvertreter·innen. Eine DOSSIER-
Auswertung zeigt, dass ihr Anteil österreichweit inzwischen bei rund
40 Prozent liegt, in Wien sogar bei 71 Prozent. Obwohl das Gesetz
einen monatlichen persönlichen Kontakt vorsieht, übernehmen einzelne
Anwält·innen hunderte Vertretungen – in Wien führen vier Anwält·innen
gleichzeitig jeweils über 200 gerichtliche Erwachsenenvertretungen,
sechs sogar über 300. Wie DOSSIER-Recherchen erstmals dokumentieren,
lagern solche Kanzleien den persönlichen Kontakt zu ihren Klient
·innen an Sub- und Subsubunternehmer·innen aus – ein System, das man
aus prekären Branchen wie der Paketzustellung kennt.
Zwtl.: Kontrollversagen und fehlende Rechte für Menschen mit
Behinderungen
DOSSIER deckt auch Missstände bei der gerichtlichen Kontrolle
auf. So zeigen die Recherchen Versäumnisse im Fall eines Steirers,
der ab 2019 in seiner Rolle als gerichtlicher Erwachsenenvertreter
und Vorsorgebevollmächtigter rund 713.000 Euro von mindestens 37
Schutzbefohlenen veruntreute: Obwohl der Mann bereits 2022 weit über
der gesetzlich erlaubten Obergrenze von 15 Vertretungen lag,
bestellten ihn Gerichte weiterhin – zeitweise betreute er wohl bis zu
60 Fälle gleichzeitig. Auch eine Anzeige wegen unrechtmäßiger
Geldverwendung im Jahr 2023 blieb zunächst folgenlos; erst rund ein
Jahr später wurde er festgenommen.
DOSSIER dokumentierte auch Versäumnisse im Umgang mit
Beschwerden: In Niederösterreich ignorierte ein Bezirksgericht
wiederholt die Anträge einer mehrfach behinderten Frau, die ihren
gerichtlichen Erwachsenenvertreter wechseln wollte. Das Landesgericht
St. Pölten begründet dies damit, dass die Frau aufgrund ihrer
»schweren Behinderung« nicht in der Lage sei, Anträge zu stellen oder
sich zu äußern – eine Begründung, die im Widerspruch zum Ziel der
Selbstbestimmung laut Erwachsenenschutzgesetz steht.
Diese und weitere Rechercheergebnisse finden Sie im neuen DOSSIER
-Magazin »Ob sie wollen oder nicht: Brennpunkt Erwachsenenvertretung
«, erhältlich unter dossier.at oder als Teil der DOSSIER-
Mitgliedschaft.




