Wien (PK) – Grundsätzlich sind alle fünf Parlamentsparteien dafür,
zumindest
Teile von Untersuchungsausschüssen mit Bild und Ton zu übertragen und
so der Öffentlichkeit direkt zugänglich zu machen. Wie dieses
Vorhaben konkret umgesetzt werden soll, darüber scheiden sich aber
schon seit Jahren die Geister. Vor allem die Frage, wie der Schutz
der Persönlichkeitsrechte von Auskunftspersonen und von Personen, die
Gegenstand der Beratungen sind, sichergestellt werden kann, sorgt für
anhaltende Diskussionen. Auch aktuell ist noch keine Lösung in Sicht.
FPÖ und Grüne hoffen zwar, dass sich die Fraktionen noch vor Beginn
des Pilnacek-Untersuchungsausschusses einigen können, die Chance
dafür sieht Grün-Abgeordnete Nina Tomaselli aber eher als gering an.
Ihrer Ansicht nach ist es vor allem die ÖVP, die einer Einigung im
Wege steht.
Angestoßen hatte die heutige Debatte im Nationalrat die FPÖ. Sie
schlägt in ihrem Antrag ( 540/A ) vor, Untersuchungsausschüsse auf
der Parlamentswebsite live zu übertragen. Damit will sie für mehr
Transparenz sorgen und interessierten Bürgerinnen und Bürgern
„authentische Einblicke“ in die Arbeit von U-Ausschüssen ermöglichen.
Derzeit haben nur Medien Zugang zu den Befragungen. Die Entscheidung,
welche Befragungen – etwa aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes –
nicht übertragen werden sollen, will die FPÖ der bzw. dem jeweiligen
Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses überlassen.
Eine Liveübertragung wäre gut für die Qualität von
Untersuchungsausschüssen, ist FPÖ-Abgeordneter Christian Hafenecker
überzeugt. Seiner Meinung nach würde das „sinnloses Filibustern“ und
endlose Geschäftsordnungsdebatten eindämmen und Regierungsmitgliedern
ständiges Ausweichen auf Fragen erschweren. Dabei auf
Persönlichkeitsrechte zu achten, hält Hafenecker für
selbstverständlich: Niemand habe ein Interesse, Beamte aus den
Ministerien in die Öffentlichkeit zu holen, meinte er. Nach Meinung
seines Fraktionskollegen Norbert Nemeth drängt die Zeit: Seiner
Einschätzung nach könnte der Verfassungsgerichtshof den Nationalrat
schon bald dazu zwingen, die Öffentlichkeit von
Untersuchungsausschüssen neu zu regeln.
ÖVP sieht Spannungsverhältnis zwischen Transparenz und
Persönlichkeitsrechten
Wenig vom Vorschlag der FPÖ hält ÖVP-Abgeordneter Andreas Hanger.
Dieser sei „untauglich“, meinte er. Es gebe ein berechtigtes
Interesse der Öffentlichkeit an einer Live-Übertragung von U-
Ausschüssen, ebenso müsse man aber die Persönlichkeitsrechte
beachten. Abgeordnete seien durch ihre parlamentarische Immunität
geschützt und könnten weder strafrechtlich noch medienrechtlich für
Aussagen in Untersuchungsausschüssen belangt werden und hätten damit
Auskunftspersonen gegenüber einen gravierenden Vorteil, gab er zu
bedenken. Auch solle man sich in der Frage der Übertragung „nicht der
Willkür des Vorsitzenden ausliefern“. Hanger will sich nun zunächst
einmal das Modell in Deutschland anschauen, zeigte sich aber
skeptisch, dass es gelingen wird, das von ihm skizzierte
„Spannungsverhältnis“ aufzulösen.
Von Seiten der SPÖ erneuerte Kai Jan Krainer seinen alten
Vorschlag, die Verantwortung, welche Auskunftspersonen „in Bild und
Ton gezeigt werden“, den Medien zu übertragen. Diese seien tagtäglich
mit der Herausforderung konfrontiert, Persönlichkeitsrechte zu
schützen und wüssten am besten, welche Teile von Befragungen man
gegebenenfalls „herausschneiden“ oder übertönen müsse.
NEOS und Grüne drängen auf baldige Lösung
Frustriert über die jahrelange Debatte zeigte sich NEOS-
Abgeordneter Nikolaus Scherak. Es gehe um herausfordernde juristische
Fragen, räumte er ein. Wenn man den Willen habe, könne man das
Problem aber lösen, ist er sich sicher. Etwa durch eine zeitversetzte
Übertragung. Auch der Vorschlag von SPÖ-Abgeordnetem Krainer könnte
seiner Meinung nach „funktionieren“. Eine Übertragung würde auf die
politische Kultur im Untersuchungsausschuss jedenfalls
„disziplinierend wirken“, glaubt Scherak.
Auch Nina Tomaselli (Grüne) ist überzeugt, dass eine Lösung trotz
der bestehenden Herausforderungen möglich ist. Es gebe viele
interessierte Bürgerinnen und Bürger, die sich ein ungefiltertes Bild
von Untersuchungsausschüssen machen wollten, meinte sie. Dass es bis
zum Start des Pilnacek-Untersuchungsausschusses eine Einigung geben
wird, hält sie aber für wenig realistisch. Zwar würden sich alle
Fraktionen öffentlich zu einer Live-Übertragung bekennen, bei
konkreten Verhandlungen würde eine Fraktion dann aber erst recht
wieder „auf das 26. Zwergenproblem von rechts“ verweisen.
Nach der Ersten Lesung wurde der Antrag der FPÖ dem
Geschäftsordnungsausschuss zur weiteren Beratung zugewiesen.
„Wahrheitspflicht“ bei Beantwortung parlamentarischer Anfragen
Ein weiteres Anliegen der FPÖ ist es, Regierungsmitglieder bei
der Beantwortung parlamentarischer Anfragen – ähnlich wie bei
Befragungen in Untersuchungsausschüssen – unter „Wahrheitspflicht“ zu
stellen ( 539/A ). Im Falle falscher Auskünfte soll der
Straftatbestand „Falsche Beweisaussage“, der mit bis zu drei Jahren
Haft bedroht ist, zur Anwendung gelangen. Außerdem sollen die Fristen
für die Beantwortung parlamentarischer Anfragen an jene des
Informationsfreiheitsgesetzes (vier plus vier Wochen) angepasst
werden. Derzeit gebe es hier eine Schieflage, begründete Abgeordneter
Norbert Nemeth den Vorstoß. Er kritisierte außerdem die Qualität
vieler Anfragebeantwortungen und warf der Regierung vor, Abgeordneten
systematisch Informationen vorzuenthalten.
Kritisch zum vorliegenden Antrag äußerten sich Wolfgang Gerstl (
ÖVP), Muna Duzdar (SPÖ) und Nikolaus Scherak (NEOS). Der FPÖ gehe es
nicht um die Sache, sondern darum, das Vertrauen der Bevölkerung in
Institutionen zu schwächen und deren Glaubwürdigkeit zu untergraben,
ist Gerstl überzeugt. Würde man dem Vorschlag der FPÖ folgen, könnte
jede Anfragebeantwortung zur Prüfung bei der Staatsanwaltschaft
landen, warnte er. Zudem gibt es seiner Meinung nach genügend
Möglichkeiten, um Regierungsmitglieder zur Verantwortung zu ziehen.
SPÖ-Abgeordnete Duzdar wies darauf hin, dass die FPÖ die
Ministerien zuletzt „mit Anfragen zugeschüttet“ habe. Das habe mit
seriöser parlamentarischer Arbeit nichts zu tun, sagte sie. Vielmehr
wolle die FPÖ die Ministerien gezielt „lahmlegen“, um dann „Empörung
zu inszenieren“, wenn die Antworten nicht in der gewünschten Schnelle
kommen.
Auch NEOS-Abgeordneter Scherak bezweifelt, dass man mit einer
„Wahrheitspflicht“ weiterkommen würde. Um die Qualität von
Anfragebeantwortungen zu verbessern, wäre seiner Meinung nach ein
Organstreitverfahren beim Verfassungsgerichtshof nach dem Vorbild
Deutschlands zielführender. Etwas abgewinnen kann Scherak hingegen
der Forderung der FPÖ, die Frist zur Beantwortung parlamentarischer
Anfragen auf vier Wochen zu verkürzen.
Ähnlich wie Scherak argumentierte Grün-Abgeordnete Alma Zadić:
Auch sie plädierte für eine kürzere Antwortfrist und ein
Organstreitverfahren beim Verfassungsgerichtshof.
Auch dieser Antrag wurde dem Geschäftsordnungsausschuss zur
weiteren Beratung zugewiesen.
Diskussion um Abschaffung der Flugabgabe
Über die Forderung der FPÖ nach Abschaffung der Flugabgabe (
501/A ) wird der Verkehrsausschuss weiter beraten. Die Flugabgabe sei
de facto eine Urlaubssteuer, führe zu einem erheblichen
Wettbewerbsnachteil für österreichische Flughäfen und mindere die
Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Österreich, begründen die
Freiheitlichen ihren Vorstoß. Eine Abschaffung der Abgabe würde
hingegen die Kostenbelastung der Passagiere reduzieren,
Regionalflughäfen entlasten, die internationale Anbindung Österreichs
sichern und den Wirtschafts- und Tourismusstandort stärken.
In der Debatte machte FPÖ-Abgeordneter Gerhard Deimek geltend,
dass die Flugabgabe dazu beitrage, dass Fluglinien Flüge ins
benachbarte Ausland verlagerten und Passagierzahlen sinken. Als
Beispiele verwies er auf den Abzug von Flugzeugen durch Wizz Air und
Ryan Air aus Österreich. Die Flugabgabe sei außerdem eine
„Tourismusbremse“, betonte er.
Widerspruch erntete Deimek unter anderem von SPÖ-Abgeordnetem
Roland Baumann und Grün-Abgeordnetem Jakob Schwarz. Ihnen zufolge
würde die Abschaffung der Flugabgabe ein Loch von 190 Mio. Ꞓ bzw. 168
Mio. Ꞓ in das Budget reißen. Die Flugabgabe sei außerdem ein
Instrument, um die Bahn zu unterstützen und diese gegenüber
Billigfluglinien konkurrenzfähig zu halten, sagte Baumann. Überdies
habe sie eine CO2-reduzierende Wirkung auf das Verkehrsverhalten. Die
Abschaffung von Steuern und Abgaben führe zudem nicht automatisch zu
billigeren Preisen, machte Baumann geltend.
Zum Thema Ryan Air merkte Grün-Abgeordneter Schwarz an, er
verstehe nicht, warum die FPÖ das österreichische Budget zugunsten
eines irischen Milliardärs in Schieflage bringen wolle. Auch Baumann
und NEOS-Abgeordneter Dominik Oberhofer wandten sich dagegen, sich
von Billigfluglinien, die wie Oberhofer meinte, „Milliarden Gewinne
schreiben und nichts in Österreich versteuern“, unter Druck setzen zu
lassen.
Dass derzeit Regionalflughäfen „in ganz Europa unter Druck
stehen“, führt Oberhofer weniger auf Flugabgaben als auf eine
bestehende „Lücke“ bei kleineren Flugzeugen zurück. Er hält in diesem
Sinn auch nichts davon, wenn sich Regionalflughäfen „untereinander
ausspielen“. Zur aktuellen Diskussion in Deutschland merkte er an,
auch dort werde die Flugabgabe nicht abgeschafft, sondern nur die
letzte Erhöhung zurückgenommen.
„Ein klares Bekenntnis zum Luftfahrtstandort Österreich“ gab ÖVP-
Abgeordneter Joachim Schnabel ab. Es sei unbestritten, dass die
Luftfahrt zehntausende Arbeitsplätze schaffe und für Wohlstand sorge,
sagte er. In diesem Zusammenhang verwies er nicht zuletzt auf die
Luftfahrtindustrie. Wichtig seien aber auch wettbewerbsfähige
Flughäfen. Zur Forderung der FPÖ hielt Schnabel fest, die
Herausforderung sei es, diese mit der notwendigen
Budgetkonsolidierung in Einklang zu bringen. (Schluss Nationalrat) gs
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können
auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand
in der Mediathek des Parlaments verfügbar.




