„kulturMontag“: Friedenspreisträger Karl Schlögel im Interview, Wiener-Festwochen-Debatte, Gerhard-Richter-Schau in Paris

Wien (OTS) – Der von Peter Schneeberger präsentierte „kulturMontag“
am 20. Oktober
2025 um 22.30 Uhr in ORF 2 und auf ORF ON bietet wieder ein große
thematische Bandbreite. So kommt in der Sendung u. a. der deutsche
Historiker und ausgesprochene Osteuropa-Kenner Karl Schlögel
anlässlich seiner Auszeichnung mit dem Friedenspreis des Deutschen
Buchhandels auf der Frankfurter Buchmesse zu Wort über Europas Rolle
im Russland-Ukraine-Krieg. Weiters befasst sich das Magazin mit der
aktuellen Debatte um die Wiener Festwochen im Zusammenhang mit dem
von Intendant Milo Rau veröffentlichten Manifest zum Nahost-Konflikt.
Ein weiterer Beitrag blickt nach Paris, wo sich eine neue
Retrospektive dem umfassenden Schaffen des Kunstmalers Gerhard
Richter widmet. Anschließend steht im Rahmen des ORF-Schwerpunkts zum
200. Geburtstag des musikalischen Jahresregenten die Dokumentation
„Johann Strauss – Songbook“ (23.25 Uhr) auf dem Programm.

Warnung an Europa – Friedenspreisträger Karl Schlögel im Interview

Seit Wochen werden in Europa Drohnen gesichtet, die die kritische
Infrastruktur stören. Nach Polen, Dänemark und dem Baltikum geriet
jüngst auch der Flughafen in München ins Visier. Die europäischen
Regierungen zeigen sich angespannt, wird doch Russland hinter den
Aktionen vermutet. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine erregt
seit mittlerweile mehr als drei Jahren die Gemüter, derzeit kein Ende
in Sicht. Deutschland verstärkt seine Armee und auch Polen,
Frankreich, Großbritannien oder Italien rüsten auf. Als einer der
Ersten warnte der deutsche Historiker Karl Schlögel, der zu den
besten Kennern Osteuropas zählt, vor Wladimir Putins aggressiver
Expansionspolitik. Zu lange wurde dessen Eskalationsstrategie nicht
ernst genommen, auch nicht, als er 2014 die Krim besetzt hat. Es war
die erste gewaltsame Grenzverschiebung in Europa nach Ende des
Zweiten Weltkriegs. „Wie würden wir wohl reagieren, wenn Bomben auf
Marseille, Triest oder Barcelona fielen?“, fragt Karl Schlögel. Der
77-Jährige befürwortet einen scharfen Kurs gegen Russland, das seiner
Ansicht nach diplomatische Initiativen nur dafür nutzt, Zeit zu
gewinnen. Anlässlich seiner Auszeichnung mit dem Friedenspreis des
Deutschen Buchhandels auf der Frankfurter Buchmesse hat der
„kulturMontag“ Schlögel zum Gespräch gebeten.

Die Festwochen-Debatte – Eine öffentliche Erregung

Mit jeder Menge revolutionärer Ideen und Aktionismus, die die Grenzen
zwischen Fiktion und Realität, Aktivismus und Kunst sprengten, holte
der seit 2023 amtierende Wiener-Festwochen-Intendant Milo Rau das
angeschlagene Festival wieder ins Rampenlicht und positionierte es
als politisches Forum. Er erreichte damit ein neues Publikum sowie
mehr als 90 Prozent Auslastung und brachte frischen Wind in die
Stadt, doch scharfer Wind weht ihm derzeit entgegen. Sein Manifest
„Widerstand jetzt – Brief an meine Freund:innen“, das der Schweizer
Theatermacher auf der Festwochen-Homepage veröffentlichte, löste
heftige Debatten in der Kulturszene aus. Anfang Oktober forderte Rau
von der Kulturbranche, das Schweigen über den „laufenden Völkermord
in Gaza“ endlich zu beenden und verglich in seinem Schreiben das
Verhalten der Intellektuellen im Gaza-Krieg mit der Passivität, mit
der man auch den Holocaust ausgesessen habe. Widerstand formierte
sich, der zwei Tage vor Freilassung der Geiseln in einem prominenten
„Kollektiv“ ein Sprachrohr gefunden hat. Elfriede Jelinek und 14
namhafte Kunstschaffende wie Autor Michael Köhlmeier wehren sich in
einem offenen Brief mit dem Titel „Wir schweigen auch nicht“ gegen
die Unterstellung und kritisieren Raus „Aufruf“ aufs Schärfste. Der
jüdische Theatermacher Airan Berg konterte mit einem eigenen offenen
Brief, in dem er Milo Rau vorwirft, eine „öffentlich geförderte
Institution zur Tribüne einer einseitigen Agitation zu machen“. Raus
Aktion ruft aber auch die Wiener Oppositionsparteien der
Stadtregierung auf den Plan – Rücktrittsaufruf inklusive. Hat sich
der Theatermacher und Mahner gegen Unrecht und Unmenschlichkeit mit
seinem Statement zum Nahen Osten isoliert? Wie politisch darf Kunst
sein? Darf sie aggressiv sein, übertreiben, die Wirklichkeit
verzerren? Und wo liegen die Grenzen? Der „kulturMontag“ hat sich
umgehört.

Chronologie einer Weltkarriere – Gerhard-Richter-Retro in Paris

Auch wenn sich der heute 93-jährige Deutsche 2017 aus dem Geschäft
der Malerei zurückgezogen hat und fortan nur noch zeichnet, gilt
Gerhard Richter als einer der weltbesten und erfolgreichsten lebenden
Kunstmaler der Welt. In Ausstellungen rund um den Globus ist er
omnipräsent, auf Auktionen immer für Rekorde gut. Menschen gingen ins
Kino, um ihn malen zu sehen, etwa in der Doku „Gerhard Richter
Painting“ von Corinna Belz, oder um etwas über seine Biografie zu
erfahren, wie im Film „Werk ohne Autor“ von Oscar-Preisträger Florian
Henckel von Donnersmarck. Oder sie besuchen den Kölner Dom, um
Richters prominentes Kirchenfenster zu bewundern. Was macht den Maler
so erfolgreich, seine Arbeiten so unwiderstehlich? Das Phänomen
Richter ist kaum zu greifen, er ist ein Künstler, der den Stilbruch
zum Prinzip erhebt. Von den verwischten, unscharf wirkenden
fotografischen Bildern, die sich dem Betrachter verweigern und
gleichzeitig neugierig machen, bis zu seinen abstrakten Werken, in
denen er ein raffiniertes Spiel von Zufall und Kalkül vollführt und
bizarre Farbräume entstehen lässt. Jetzt widmet die Fondation Louis
Vuitton dem Superstar in Paris eine umfassende Retrospektive, die
alle Schaffensperioden dokumentiert.

Dokupremiere „Johann Strauss – Songbook“ (23.25 Uhr)

Johann Strauss war weit mehr als der berühmte „Walzerkönig“. Mit
seinem feinen Gespür für Melodie, Rhythmus und die gesellschaftlichen
Stimmungen seiner Zeit prägte er das musikalische Selbstverständnis
Wiens wie kaum ein anderer. Werke wie der weltberühmte „Donauwalzer“
stehen bis heute sinnbildlich für die Leichtigkeit und Eleganz der
österreichischen Musiktradition. Strauss war auch ein musikalischer
Grenzgänger, der Brücken schlug: zwischen E- und U-Musik, zwischen
Ballsaal und Operette, zwischen bewahrter Tradition und kühnen
Aufbrüchen. An diese Brückenschläge knüpft das „Johann Strauss –
Songbook“ an und begleitet ausgewählte Veranstaltungen des
Jubiläumsjahres als vielstimmiges musikalisches Tagebuch.
Zeitgenössische Musikerinnen und Musiker nähern sich Strauss’ Werk
persönlich, vielfältig und genreübergreifend – kreativ, kritisch und
spielerisch. So entsteht ein lebendiges Porträt des Komponisten, das
seine anhaltende Bedeutung auch 200 Jahre nach seiner Geburt
eindrucksvoll unterstreicht.
Die Reise beginnt mit dem Wiener Liedermacher Ernst Molden, dessem
Songzyklus „Schdrom“ den „Donauwalzer“ in den Fokus nimmt. Zwischen
Wiener Dialekt, skurrilen Klangbildern und persönlicher Reflexion
entfaltet sich eine eigenwillige Perspektive auf den Fluss, die Stadt
und das Strauss’sche Werk.
Vom Fluss führt der Weg ins Krapfenwaldlbad: Hier verwandelt die Band
5/8erl in Ehr’n Strauss’ Operettenwalzer „Wiener Blut“ in einen
musikalischen Dialog, der Soul, Jazz und Wienerlied verbindet.
Städtisches Lebensgefühl in Verbindung mit offener Neugier öffnet
neue Klangräume in der Gegenwart.
Diese Offenheit findet sich auch in der Interpretation der Operette
„Die Fledermaus“ durch das Janoska Ensemble und Koloratursopranistin
Daniela Fally. Zwischen klassischer Virtuosität und
improvisatorischem Freiraum entsteht eine Herangehensweise, die
Strauss’ Musik bewahrt und zugleich weiterdenkt – verspielt,
technisch brillant und stilistisch durchlässig.
Die Auseinandersetzung mit Strauss als Brückenbauer zwischen
verschiedenen Stilen zeigt sich ebenso in zwei sehr unterschiedlichen
Formationen: Das Wiener Hip-Hop-Duo EsRap, bestehend aus den
Geschwistern Esra und Enes Özmen, bringt gemeinsam mit Marino
Formenti gesellschaftspolitische Themen, Migrationserfahrungen und
persönliche Perspektiven in Beziehung zu Strauss’ Werk. Parallel dazu
eröffnet das Duo BartolomeyBittmann mit Cello und Mandola einen
instrumentalen Zugang, der zwischen Klassik, Gegenwart und
progressivem Sound changiert. Beide setzen den Dialog mit Strauss auf
ihre eigene Weise fort und eröffnen eine zeitgenössische Spurensuche.
Zum Ausklang verbindet das Brass-Ensemble Mnozil Brass Strauss mit
Elementen aus Pop, Jazz und Blasmusik. Mit technischer Präzision und
charakteristischem Humor beleuchten sie klassische Musik aus einer
spielerisch-zeitgenössischen Perspektive.
In all diesen Begegnungen entsteht ein vielstimmiges, lebendiges
Porträt des „Walzerkönigs“ – jenseits von Klischees, nah am Menschen.
Das „Johann Strauss – Songbook“ lädt ein zu einer musikalischen Reise
durch Vergangenheit und Gegenwart, durch Tradition und Innovation,
durch Wien und die Welt. Die Dokumentation dazu gestalteten Madlene
Feyrer und Christiane Schön.