Geschichte spüren, Politik erleben am Tag der offenen Tür im Parlament

Wien (PK) – Ein goldener Herbsttag legt sich über Wien. Leichter Wind
wirbelt
bunte Blätter durch die Luft, als sich am Sonntagmorgen die Tore des
Parlaments öffnen. Die Nacht war lang – dank der Zeitumstellung eine
Stunde länger als sonst. Ein guter Start für den 60. österreichischen
Nationalfeiertag. Wer schon immer wissen wollte, was sich hinter den
Türen des Hohen Hauses abspielt, hatte am Nationalfeiertag die
Gelegenheit dazu. Das Parlament öffnete seine Tore, Besucherinnen und
Besucher konnten die Würde des Hauses spüren und erleben, wie Politik
gemacht wird. Dabei gab es auch die Möglichkeit, direkt mit
Abgeordneten ins Gespräch zu kommen.

„Der Nationalfeiertag ist der Tag, an dem wir zeigen, dass das
Parlament ein offenes Haus ist“, berichtet eine Demokratiebildnerin,
die Gäste durch das Hohe Haus führt. „An diesem Tag zeigen wir das
Haus nicht nur, wir leben es.“ Denn das Parlament gehöre allen – und
am Nationalfeiertag werde das besonders sichtbar. Die Besucherinnen
und Besucher sehen Räume, die sonst nicht zugänglich sind, erklärt
ein anderer Demokratiebildner. „Demokratie ist nichts
Selbstverständliches. Sie ist erarbeitet worden, Schritt für Schritt
– genauso wie das Recht, dieses Haus zu betreten. Hier wurde
Geschichte geschrieben.“

Zwischen Sicherheitscheck und Geschichte – unterwegs im Parlament

Bevor die ersten Gäste eintreffen, herrscht im Hohen Haus bereits
geschäftiges Treiben. Sprengstoffsuchhunde durchstreifen die Gänge,
Sicherheitskräfte prüfen jeden Winkel. Assistenzen für Menschen mit
besonderen Bedürfnissen stehen bereit, ebenso Führungen in
Österreichischer Gebärdensprache. Die Tour ist weitestgehend
barrierefrei und führt eine Stunde lang quer durchs Parlament. Die
Führungen sind zweisprachig, auf Deutsch und Englisch. Der
Sicherheitscheck verläuft rasch. Los geht es schon vor dem Gebäude,
mit Blick auf die Pallas Athene, bevor die Gruppe ins Innere des
Hauses eintritt. „Viele Gäste sind heute besonders geduldig und
interessiert – sie wollen wirklich wissen, wie das Parlament
funktioniert“, berichtet die Demokratiebildnerin.

Die Tour führt vom Jetzt im Zentrum für Besucherinnen und
Besucher, der sogenannten „Agora“, zurück in die 1950er-Jahre und
weiter in die Geschichte. Im dritten Stock öffnet sich für die Gäste
der Blick hinunter auf den Plenarsaal – jenen Ort, an dem
Entscheidungen getroffen werden, die vom Samstagsunterricht bis zum
Umgang mit Wölfen reichen. Tageslicht fällt durch die Glaskuppel, es
wirkt symbolisch: Unten wird Politik gemacht, oben steht das Volk.

Fünf Parteien, ein Raum: Das Herz parlamentarischer Debatte

Im Nationalratssaal begegnen sich bei Sitzungen 183 Abgeordnete
aus fünf Parteien, die die Vierprozenthürde geschafft haben. Fünf
Ideen, fünf Weltanschauungen, fünf Haltungen treffen hier
aufeinander. Eine rote Lampe signalisiert die Redezeitbeschränkung,
das Präsidium ist leicht erhoben. In Österreich wird traditionell
durch Aufstehen abgestimmt, erfahren die Gäste bei der Tour durchs
Parlament. Der Plenarsaal, wie er auch genannt wird, wurde nach dem
Zweiten Weltkrieg nicht historisch rekonstruiert, sondern modern neu
gebaut.

Im Anschluss beeindruckt der Bundesratssaal die Gäste. „Ich sehe
meine Aufgabe darin, Brücken zu bauen – zwischen dem Haus und den
Menschen, zwischen Geschichte und Gegenwart“, verbildlicht der
Demokratiebildner. Dabei versuche ich immer, die Geschichten lebendig
zu erzählen – damit die Gäste nicht nur Fakten hören, sondern spüren,
was sie bedeuten. „Denn ich will, dass die Leute am Ende das Gefühl
haben: Das ist auch mein Haus.“ Und tatsächlich: Kaum jemand verlässt
das Parlament ohne ein Foto gemacht zu haben.

Parteien, Spiele und Gespräche

Das Parlamentsgebäude ist älter als die Republik – es hat den
Wandel dieses Landes miterlebt, von der Monarchie bis heute, erzählt
der Demokratievermittler seiner ersten Gruppe des Tages. Der
historische Sitzungssaal hat den Krieg wie durch ein Wunder
unbeschadet überstanden, die Besucherinnen und Besucher sind
fasziniert. In der Säulenhalle dürfen die Gäste selbst auf
Entdeckungstour gehen. Die Akustik ist gewöhnungsbedürftig, die
Atmosphäre lebendig. Parteien bieten den Dialog – und kleine
Geschenke. Die FPÖ verteilt Jausensackerl mit Kipferl oder Äpfel, die
ÖVP lädt zum Medaillendrehen und gibt nachhaltige Jo-Jos aus. Die SPÖ
setzt auf Diskussion und Info-Goodie-Bags, die NEOS werben
spielerisch mit einem eigens programmierten „Flappy Bird“-Game um
Reformideen, während die Grünen Besucherinnen und Besucher einladen,
Zukunftswünsche zu nennen, die im Rahmen eines „Graphic Recordings“
von einer Künstlerin festgehalten werden.

„Heute wollen die Menschen wirklich hier sein. Das merkt man
sofort – sie sind neugierig, stellen Fragen, hören zu. Das ist
ansteckend, so der Demokratiebildner. „Man kann am Hohen Haus
ablesen, wie sich Österreich verändert hat – politisch,
architektonisch, gesellschaftlich. Der Tag der offenen Tür erinnert
uns daran, dass Demokratie ein gemeinsames Projekt bleibt – kein
fertiges Produkt.“

Nicht nur die Parlamentsparteien präsentieren sich, auch die
Parlamentsdirektion stellt sich vor. Dort, wo sonst Ausschüsse
stattfinden, stehen am Tag der offenen Tür Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter der Parlamentsdirektion für Gespräche bereit und geben
Einblicke in ihre tägliche Arbeit. Wer den Rundgang beendet, darf
über die Rampe hinaus ins Freie treten – jenen Ausgang, der sonst nur
Staatsgästen vorbehalten ist und einen eindrucksvollen Blick über die
Ringstraße bietet. Alle Fotos vom Tag der offenen Tür sind ab dem 27.
Oktober 2025 hier zu finden.

Politik hautnah erleben: Führungen das ganze Jahr über möglich

Am Tag der offenen Tür kommt ein Mix aus Touristinnen und
Touristen, Einheimischen und politisch Interessierten – genau das
macht die Atmosphäre aus, sagt die Demokratiebildnerin mit einem
Strahlen im Gesicht. „Es ist laut, hektisch, bunt – aber auch
unglaublich herzlich“, berichtet sie. Außerdem ist es jedes Mal schön
zu sehen, wie Menschen das Parlament mit anderen Augen verlassen, als
sie es betreten haben. Es kommen Freundeskreise, Familien,
Touristinnen und Touristen, kommentiert ihr Kollege. Der Name ist
Programm – Tag der offenen Tür. Die Menschen, die am Ring unterwegs
sind, spazieren einfach hinein, und das ist ja auch der Sinn
dahinter.“

Während man vor einigen Jahren noch früh aufstehen musste, um als
erstes in der Schlange zu stehen, gab es auch dieses Jahr die
Möglichkeit vorab auf der Website des Parlaments ein Zeitfenster zu
buchen. Am Nationalfeiertag startet alle drei Minuten eine neue
Führung, erklärt die Demokratiebildnerin. Wer es nicht ins Hohe Haus
geschafft hat, muss nicht verzagen. Das Parlament hat von Montag bis
Samstag geöffnet. Führungen sind für Einzelpersonen oder Gruppen
buchbar und kostenlos. Einige Bereiche des Parlaments können Sie auch
ohne Führung erkunden. Die eindrucksvollen Sitzungssäle sind
allerdings nur an Plenartagen oder aber mit Führung zugänglich. (
Schluss) gla

HINWEIS: Fotos vom Tag der offenen Tür im Parlament sowie eine
Nachschau auf vergangene Veranstaltungen finden Sie im Webportal des
Parlaments . Ein Video zum Tag der offenen Tür wird in der Mediathek
veröffentlicht.