Wien (OTS) – Die neue Bischöfin der Evangelischen Kirche A.B. in
Österreich,
Cornelia Richter, ist am Samstag, 8. November, in einem
Festgottesdienst im Wiener Museumsquartier in ihr Amt eingeführt
worden. Mit der Amtseinführung tritt Bischöfin Cornelia Richter ihr
gesamtösterreichisches Leitungsamt in der Evangelisch-lutherischen
Kirche an. Im Mai war sie von der Synode mit überwältigender Mehrheit
zur Bischöfin gewählt worden. Sie ist die erste Bischöfin in der
Geschichte der Evangelischen Kirche in Österreich.
In ihr bischöfliches Leitungsamt eingeführt wurde Cornelia
Richter durch den scheidenden Bischof Michael Chalupka, der nach
Erreichen des Pensionsalters in den Ruhestand tritt. Er wurde im
Gottesdienst feierlich verabschiedet.
Als Predigttext hatte die neue Bischöfin das Magnificat, den
Lobgesang der Maria, aus dem Lukasevangelium gewählt, ein „Lied der
Menschheitsgeschichte weit über die Ökumene hinaus“, weil es
„Glaubenszeugnis“ und „Sehnsuchtstext“ zugleich sei, wenn davon
erzählt werde, „dass das Wunder geschieht, das niemand mehr
erwartet“. Diesen Lobgesang bezeichnete Richter als eine „Hymne des
Dankens, des Vertrauens und des Zutrauens in die weltbewegende Macht
Gottes – und zwar genau da, wo es im Leben anders gekommen ist als
erwartet“. Solche Botschaften seien wichtig, gerade in unruhigen
Zeiten „voller Krisen und Konflikte, voller Misstrauen und Angst – in
der Gesellschaft und manchmal auch in unserer Kirche“.
Bischöfin Richter: Vision der Bergpredigt gegen Hass und Gewalt
Fröhliche Lieder anzustimmen falle vielen schwer angesichts von
Kriegsrhetorik, Pflegenotstand oder Klimakrise. Näher liege da oft
Rückzug und Eskapismus in die eigene kleine Welt. Hier brauche es
jemanden, „der uns sagt: ‚Fürchte dich nicht‘“, ist Richter
überzeugt. Und es brauche eine Gemeinschaft, „die sich „nicht
schrecken lässt von dem, was ist. Sondern die zupackig auf die Dinge
zugeht. Die mitten in dieser Gesellschaft steht und mit all jenen
Menschen nach Lösungen sucht, die sich für unser friedliches
Zusammenleben engagieren – Menschen aller Generationen, Profis ebenso
wie Ehrenamtliche. Damit wir mit Gottes Hilfe gemeinsam weit über das
hinausgehen, was alle erwarten.“ Um die Dinge gemeinsam anzupacken,
brauche es die gelebte Vision der Bergpredigt, „gegen all die Gewalt
und den Hass da draußen, gegen den Terror und Krieg in der Welt,
würden wir Tag für Tag all unser Vertrauen darauf setzen, dass Gott
die Gewaltigen vom Thron stößt, die Niedrigen erhebt und die
Hungrigen satt werden lässt. Was für eine großartige Vision, was für
eine Quelle neuer Hoffnung und Kraft“, sagte Richter und appellierte
an die Mitfeiernden: „Kommt, lasst es uns versuchen! Ich bin gewiss,
dass aus dieser Vision auch in der Zukunft noch Zeichen und Wunder
geschehen.“
Synodenpräsidentin Monjencs dankt Bischof Chalupka
Synodenpräsidentin Ingrid Monjencs dankte dem scheidenden Bischof
Michael Chalupka im Gottesdienst für seinen Einsatz an der Spitze der
Evangelisch-lutherischen Kirche. Chalupka hatte das Bischofsamt im
September 2019 angetreten. In den darauf folgenden Zeiten der
Pandemie und Lockdowns habe er nicht zuletzt durch seine Hirtenbriefe
den Menschen in der Kirche Mut zugesprochen und Kraft gegeben,
erinnerte die Synodenpräsidentin. Die Bewahrung der Schöpfung und vor
allem der „Übergang vom Glauben zum Tun“ sei Chalupka stets ein
großes Anliegen gewesen. Das Klimaschutzkonzept, das in Chalupkas
Amtszeit verabschiedet worden ist, wirke „in alle Bereiche unserer
Kirche hinein“ und erziele „messbare Ergebnisse“. Mit „Aus dem
Evangelium leben“ habe Chalupka zudem ein Projekt initiiert, „das
unsere Kirche zukunftsfähig machen soll“. Dabei habe Chalupka
„Veränderung immer als Chance gesehen“, bekräftigte die
Synodenpräsidentin, die dem scheidenden Bischof für den neuen
Lebensabschnitt „Gottes Segen“ wünschte.
Im Gottesdienst, der auf ORF 2 live übertragen wurde, übergab der
scheidende Bischof das Amtskreuz an seine Nachfolgerin.
Synodenpräsidentin Ingrid Monjencs verlas die Bestellungsurkunde. Als
„erste Pfarrerin“ der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich obliege
Bischöfin Cornelia Richter die geistliche Leitung „im ständigen Blick
auf die Einheit der Kirche“. Die Amtseinführung selbst nahm der
scheidende Bischof Michael Chalupka vor. Dabei assistierten ihm die
Vizepräsidentin des Lutherischen Weltbundes, Bischöfin Kristina
Kühnbaum-Schmidt, der Wiener Superintendent Matthias Geist, die
Golser Pfarrerin und VEPPÖ-Obfrau Iris Haidvogel und der Pfarrer aus
Bad Goisern, Günther Scheutz.
Chalupka: Cornelia Richter wird „das Evangelium zur Sprache
bringen und Herzen der Menschen berühren“
In seiner Ansprache ging Chalupka auf den Lebensweg von Cornelia
Richter ein. Die Erfahrung aus der Welt der Universitäten sei ein
„wunderbares Fundament“ für die Berufung. Bei ihrem ehrenamtlichen
Engagement als Pfarrerin in Bad Goisern habe sie erfahren, „dass die
universitäre Theologie im Alltag der Gemeinde bewährt und trägt“. Als
Bischöfin werde sie „das Evangelium zur Sprache bringen“ und „die
Herzen der Menschen berühren“. Das Amt einer Bischöfin führe „ohne
menschliche Gewalt, sondern allein durch Gottes Wort“, zitierte
Chalupka aus dem Augsburger Bekenntnis, der grundlegenden
Bekenntnisschrift der Evangelischen Kirche. „Es ist wohl das, was du
unserer Kirche schenken wirst: Nicht auf den Erwartungen, den
strahlenden und den düsteren, zu beharren, sondern sich vom
Unerwarteten überraschen, trösten und stärken zu lassen“, sagte
Chalupka.
Den Festgottesdienst haben im Museumsquartier über 1.000 Menschen
aus ganz Österreich mitgefeiert. Dabei waren Vertreter:innen aus den
Evangelischen Kirchen in Österreich und den Nachbarländern ebenso wie
Vertreter:innen aus der Ökumene und dem öffentlichen Leben. Mehrere
Repräsentant:innen österreichischer Kirchen, kirchennaher
Institutionen, der Diakonie und dem universitären Bereich sowie
Bischöfinnen und Bischöfe aus europäischen Schwesterkirchen sprachen
Segensworte, wie etwa der ernannte Wiener Erzbischof Josef Grünwidl
und Bischof Manfred Scheuer von der Römisch-katholischen Kirche, die
altkatholische Bischöfin Maria Kubin, der reformierte
Landessuperintendent Ralf Stoffers oder der methodistische
Superintendent Stefan Schröckenfuchs.
Gratulationen von Bundespräsident Van der Bellen
Als erste gratulierten der Bischöfin nach dem Gottesdienst
Bundespräsident Alexander Van der Bellen gemeinsam mit seiner Gattin
Doris Schmidauer. Beide hatten ebenfalls den Gottesdienst
mitgefeiert. Seitens der Bundesregierung nahmen Sozialministerin
Korinna Schumann und Innenminister Gerhard Karner teil, gekommen
waren u.a. auch die Grünen-Bundessprecherin Leonore Gewessler.
Dass erstmals eine Frau in das Bischofsamt gewählt wurde, sei ein
„starkes Signal dafür, dass Verantwortung und Leitung Frauen
selbstverständlich zusteht“, sagte Bundesministerin Korinna Schumann
in ihrem Grußwort, das sie namens der Bundesregierung sprach. Dem
scheidenden Bischof Michael Chalupka dankte Schumann für das
„konsequente Erinnern“, jene Menschen nicht aus dem Blick zu
verlieren, die Hilfe brauchen. Gleichzeitig würdigte die Ministerin
Chalupkas Einsatz für soziale Gerechtigkeit und für Menschen auf der
Flucht – die soziale Offenheit habe „Maßstäbe gesetzt“.
Die Solidarität als Basis für den Sozialstaat sei keine
Selbstverständlichkeit, es brauche Menschen und Institutionen, die
„zusammenhalten und das Verbindende vor das Trennende stellen“. Das
Wirken der Evangelischen Kirche schaffe „echte Verbundenheit“. Die
neue Bischöfin bringe Erfahrung, klare Haltung und ein „offenes Herz“
für Menschen mit, sagte die Ministerin, die sich für Zusammenarbeit
„im Sinne eines menschlichen, solidarisch starken Miteinanders in
unserem Land“ aussprach.
Cornelia Richter sei eine „herausragende Wissenschaftlerin“,
würdigte der Rektor der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität
Bonn, Michael Hoch, seine ehemalige Kollegin und Professorin für
Systematische Theologie und Hermeneutik. „Sie war häufig die Erste“,
betonte Hoch, zunächst die erste Dekanin, dann Senatsvorsitzende und
jetzt Bischöfin. Richter zeichne Empathie und Zugewandtheit gegenüber
den Menschen sowie Verantwortungsbewusstsein aus. Zudem mache ihre
„tief aus dem Herzen“ kommende und „ansteckende“ Fröhlichkeit die
„Menschen selbst auch fröhlich“, bekräftigte Hoch. „Bei ihr wird
nicht nur nachgedacht, sondern auch gelacht – und das ist gut für die
Theologie“, zeigte sich der Rektor überzeugt.
„Die weltweite lutherische Familie feiert und freut sich mit
dir”, sagte Kristina Kühnbaum-Schmidt, Landesbischöfin der
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) und
Vizepräsidentin des Lutherischen Weltbundes. Die Amtseinführung der
ersten Bischöfin sei ein “Meilenstein weit über Österreich hinaus”,
die bezeuge, dass Gott Männer und Frauen gleichermaßen ins
Leitungsamt rufe. Dem emeritierten Bischof Michael Chalupka dankte
Kühnbaum-Schmidt für das klare diakonisches Profil und die
theologisch begründete Schöpfungsverantwortung. Im Lutherischen
Weltbund habe die Evangelische Kirche in Österreich eine wichtige
Brückenfunktion.
Cornelia Richter – Zur Person:
Cornelia Richter (55) wuchs in Bad Goisern auf, ihr Vater war
Pfarrer, ihre Mutter über viele Jahre Organistin in der örtlichen
Kirche. Ihr Theologiestudium absolvierte Richter in Wien und München,
darauf folgten Aufgaben als wissenschaftliche Mitarbeiterin an
theologischen Fakultäten in Wien, Marburg und Kopenhagen.
Lehrtätigkeiten führten sie nach Hermannsburg, Zürich und Gießen,
2011 folgte dort die Berufung auf den Lehrstuhl für Systematische
Theologie und Ethik. 2012 wurde sie sowohl nach Bonn als auch nach
Kiel berufen und entschied sich für die Universität Bonn. Dort war
sie von 2012 bis 2020 Professorin für Systematische Theologie mit
Schwerpunkt in der Lehramtsausbildung, seit 2020 hat Richter die
Bonner Professur für Dogmatik und Religionsphilosophie inne. Seit
2012 ist sie zudem Co-Direktorin des Bonner Instituts für
Hermeneutik. Seit 2024 lehrt Richter auch an der University of St.
Andrews (UK).
Von 2020 bis 2024 leitete Cornelia Richter als erste Dekanin die
Evangelisch-Theologische Fakultät und seit 2024 ist sie als erste
Frau Vorsitzende des Senats der Universität Bonn. Neben den aktuellen
theologisch-dogmatischen Arbeitsschwerpunkten ist Richter Expertin im
interdisziplinären Feld der Resilienzforschung. Während ihrer
umfassenden Lehrtätigkeit in Deutschland hat Cornelia Richter den
Kontakt zu ihrer oberösterreichischen Heimat nicht abreißen lassen.
Als Pfarrerin im Ehrenamt gestaltet Richter hier Gottesdienste und
Amtshandlungen, in Bonn wirkt sie seit 2012 regelmäßig als Predigerin
und Liturgin an der Schlosskirche, die sie seit 2024 als
Universitätspredigerin leitet. In verschiedenen Bereichen arbeitete
Richter in den letzten Jahren in der Evangelischen Kirche Deutschland
(EKD), der Evangelischen Kirche im Rheinland sowie der Evangelischen
Kirche A.B. in Österreich mit.




