Wien (OTS) – Die EU bleibt in ihrer Nachbarschaft die stärkste
wirtschaftliche
Macht – deutlich vor China, Russland und den USA. Doch in wichtigen
Regionen holen Rivalen auf. Der Index misst die Verflechtungen
zwischen 2010 und 2023 – im Vergleich zu den drei Großmächten China,
Russland und den USA. Er verdeutlicht, wo die Europäische Union
Potenziale hat, ihre geoökonomische Rolle zu stärken, und wo
Wachsamkeit geboten ist, um nicht an Boden zu verlieren. Die
Ergebnisse des Index sollen dazu beitragen, die EU-
Nachbarschaftsstrategien zu schärfen.
Angesichts der Rückkehr der klassischen Großmachtpolitik wird
deutlich: Wirtschaftliche Verflechtung ist für Europa kein
Selbstläufer, sondern ein strategisches Instrument, das Stabilität
und Einfluss sichern kann. „Europa bleibt der wichtigste Partner in
seiner Nachbarschaft. Seit 2021 hat die EU jedoch an relativem
Gewicht verloren, während China systematisch aufholt. Gleichzeitig
ziehen sich die USA – mit Ausnahme Israels – wirtschaftlich aus der
Region zurück. In der Ukraine und der Republik Moldau zeigt sich
zudem, dass selbst enge wirtschaftliche Verflechtungen mit der EU
Russland nicht davon abhalten, kriegerische Gewalt bzw. Mittel
hybrider Destabilisierung einzusetzen. Dafür schien Moskau auch der
Preis der eigenen Entkopplung von der EU nicht zu hoch. Das
verdeutlicht: Europas wirtschaftliche Verflechtung sichert nicht
automatisch Frieden. Dennoch sollte sie strategisch eingesetzt werden
– gezielter und entschlossener als bisher ,“ sagt Daniela Schwarzer,
Vorständin der Bertelsmann Stiftung.
Zwtl.: Osteuropa: EU stärkt Partnerschaften, Russland setzt auf
Gewalt
Seit 2014 hat die EU ihre wirtschaftlichen Beziehungen in der
östlichen Nachbarschaft – insbesondere mit der Ukraine und der
Republik Moldau – deutlich vertieft. Der Geoökonomie-Index zeigt, wie
heterogen die Region geworden ist: Während einige Länder entschlossen
den Weg in Richtung EU-Mitgliedschaft verfolgen – ein Kurs, den
Russland mit Einschüchterung und Aggression zu bestrafen sucht –,
orientieren sich andere Staaten nur teilweise an Brüssel oder bleiben
eng mit Moskau verflochten. Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine
macht deutlich, dass die von der EU erreichten Fortschritte bei
wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Verflechtung nicht auf
die Sicherheit und Stabilität dieser Länder einzahlen.
„Das zentrale Ergebnis ist, dass die EU ihre wirtschaftliche
Anziehungskraft in der Region zwar deutlich steigern konnte, ihr
geopolitischer Einfluss jedoch begrenzt bleibt“ , sagt Richard
Grieveson, stellvertretender Direktor des Wiener Instituts für
Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) und Co-Autor der Studie.
„Russland setzt auf Gewalt, nicht auf wirtschaftliche Integration –
und dem hat die EU bislang wenig entgegenzusetzen.“
Zwtl.: Nordafrika und Naher Osten: China holt auf
Auch im Süden – von Algerien bis Tunesien – bleibt die EU der
wichtigste Handels- und Investitionspartner. Doch China gewinnt
rasant an Gewicht, vor allem durch Infrastrukturprojekte und Hightech
-Exporte, etwa nach Ägypten und Marokko.
„Die EU ist in Nordafrika und im Nahen Osten zwar noch führender
Partner, aber China holt rasant auf. Der bisher oft beschworene
‚Brussels Effect‘ – also die weltweite Übernahme europäischer
Standards – zeigt sich angesichts chinesischer Infrastrukturprojekte
und Hightech-Exporte zunehmend als ineffektiv. Um attraktiv zu
bleiben, muss die EU ihre Handelspolitik erneuern und bei Normen und
Standards so vorgehen, dass diese für Partnerländer keine
zusätzlichen Kostenbelastungen bedeuten, sondern echten Mehrwert
schaffen“ , betont Philipp Lamprecht, Direktor am European Centre for
International Political Economy (ECIPE).
Zwtl.: Westbalkan und Türkei: Führungsrolle der EU unter Druck
Der GEOII macht deutlich: Im Westbalkan und in der Türkei ist die
EU weiterhin mit großem Abstand der wichtigste Partner. In allen
untersuchten Dimensionen – Handel, Finanzen und Politik – liegt sie
vorn. Gleichzeitig wächst jedoch der Druck von außen: China baut im
Westbalkan seinen Einfluss durch Infrastrukturprojekte und
Investitionen aus, während in der Türkei Russland den Energiesektor
dominiert und China bei Hightech- und grünen Technologien an Boden
gewinnt.
„Wirtschaftlich liegt die EU im Westbalkan nach wie vor klar vorn
– doch wenn sich die Umsetzung des Beitrittsversprechens weiter
verzögert, ist dieser Vorsprung nicht garantiert. Die Türkei zeigt,
wohin das führen kann: Ein Beitritt ist dort längst außer Reichweite,
und selbst eine Modernisierung der Zollunion, die Bindung schaffen
könnte, kommt seit Jahren nicht voran“ , so Etienne Höra,
Handelsexperte der Bertelsmann Stiftung und Co-Autor der Studie.
Zwtl.: Ausblick und Handlungsempfehlungen
Der GEOII zeigt: Marktmacht allein schafft keine Gestaltungsmacht
oder partnerschaftliche Beziehungen. Die EU muss die Kraft ihres
Binnenmarktes und ihre wirtschaftlichen Verflechtungen strategisch
einsetzen, um Stabilität und Partnerschaften in der Nachbarschaft zu
fördern, zum Beispiel durch:
–
Erneuerung der Beitrittspolitik: Einführung eines stufenweisen
Integrationsprozesses für den Westbalkan
–
Modernisierung und Vertiefung der Zollunion mit der Türkei.
–
Ausbau des Global Gateway als EU-eigene strategische
Infrastrukturinitiative
–
Gezielte Nutzung von Märkten, Kapital und Regulierung als
strategische Hebel, um Stabilität und partnerschaftliche Beziehungen
zu fördern
Die detaillierte Langfassung der Pressemitteilung steht hier zur
Verfügung .
Die gesamte Studie kann hier heruntergeladen werden .




